Die Parlamentsdirektion will unter allen Umständen vermeiden, dass das neue Informationsfreiheitsgesetz (IFG) auch auf das Parlament anwendbar ist. Das geht deutlich aus einer Stellungnahme hervor, die der Rechts-, Legislativ- und Wissenschaftliche Dienst im Rahmen der Begutachtung des Informationsfreiheitspaketes abgegeben hat.
Es ist schon irgendwie bezeichnend für den österreichischen Parlamentarismus, dass die Parlamentsdirektion überhaupt Gesetzesvorschläge begutachtet. Man könnte meinen, National- und Bundesrat äußern ihren Willen im Rahmen der Gesetzgebung und nicht, indem ihr Hilfsapparat Tuchfühlung mit der Bundesregierung aufnimmt. Aber offenbar glaubt man das nicht einmal in der Parlamentsbehörde.
Man will nicht
Abgesehen davon ist die Stellungnahme stellenweise sonderbar politisch. Im Kern wird behauptet, das Parlament sei ohnehin schon so transparent, dass es das neue IFG gar nicht brauche. Bisher muss der Präsident des Nationalrates nur dann Auskünfte an Bürger erteilen, wenn sie seine Funktion als oberstes Organ der Vollziehung betreffen. In Zukunft wären auch Aufgaben der Gesetzgebung davon erfasst. Ein Beispiel:
Will man vom Nationalrat wissen, wie viele Mitarbeiter in der Parlamentsdirektion arbeiten oder wie viele Abgeordnetenspesen abgerechnet wurden, erhält man schon jetzt eine Antwort. Möchte man aber erfahren, welche Abgeordneten an einer Ausschusssitzung teilgenommen haben, wird die Auskunft verweigert. Es handelt sich hierbei nämlich um keinen Verwaltungsaspekt, sondern um eine genuin parlamentarische Aufgabe. So ist etwa auch unbekannt, aus welchen Gründen der Immunitätsauschuss die Aufhebung der parlamentarischen Immunität von Abgeordneten empfiehlt. Das könnte sich mit dem IFG ändern.
Parlamentarisches Selbstverständnis
Besonders faszinierend ist folgende Aussage der Stellungnahme: „Von ihrem Selbstverständnis als eigene Staatsgewalt her hat sich die Gesetzgebung unter dem Aspekt der Selbstorganisation eigene/separate Transparenzregelungen zu geben.“
Zunächst schließt die beabsichtigte Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG), die neben der Beschlussfassung des IFG notwendig würde, alle Staatsgewalten ein. Das tun bisher auch schon andere Bestimmungen des B-VG (zB Art 22 oder 53 Abs 3 leg. cit.). Und letztlich beschließt ja die Bundesgesetzgebung selbst diese Gesetzesnovellen. Hier pocht also eine Staatsgewalt auf ihre Unabhängigkeit sich selbst gegenüber. Gäbe es so etwas wie ein ausgeprägtes parlamentarisches Selbstverständnis in Österreich, würden National- und Bundesrat eine Regierungsvorlage, die nicht dem parlamentarischen Willen entspricht, selbst abändern oder einfach nicht beschließen, anstatt sich im Begutachtungsverfahren via Parlamentsdirektion mit Änderungswünschen an die Bundesregierung zu wenden.
Zur Verteidigung der Parlamentsdirektion könnte man nun einwenden, dass diese sich ja selbst nur als Verwaltungsapparat mit Einwänden zu Wort meldet, ohne dafür die Rückendeckung der Parlamentsmehrheit zu haben. Dazu sind die gemachten Vorschläge aber in weiten Teile zu politisch. An mancher Stelle wird alles ausgegraben was nur irgendwie gegen die Einbeziehung der Gesetzgebung ins IFG sprechen könnte. So fabuliert man, dass aufgrund der Beratungstätigkeit der Datenschutzbehörde in Sachen Informationsfreiheit diese „letztlich entscheidungsbefugt“ sein könnte, was die Regierungsvorlage ja genau nicht beabsichtigt hat.
Die Parlamentsverwaltung scheint vor allem den zusätzlichen Arbeitsaufwand zu fürchten und wendet sich gleich auch gegen das geplante Informationsregister. Dieses lehnt man unabhängig davon, ob die Parlamentsdirektion nun zuliefern muss oder nicht, ab. Man erlaubt sich daher „nochmals auf den ebenso zu erwartenden hohen Ressourcenaufwand hinsichtlich der Einführung eines zentralen, allgemein zugänglichen Informationsregisters hinzuweisen“. Das ist eine Agenda, die jedenfalls über rechtliche Fragestellungen und die parlamentarische Schrebergartenmentalität hinausreicht.
Auftritt der Landtagspräsidenten
Zusammen mit den Präsidenten der Landtage ist man sich darin einig, „die Gesetzgebung vom Anwendungsbereich der geplanten Informationsfreiheit auszunehmen“. Laut deren Stellungnahme ist die Gesetzgebung „schon derzeit völlig transparent“. Eine starke Ansage in einem Land, in dem nicht einmal die Protokolle von Ausschusssitzungen öffentlich sind.
Die Landtagspräsidenten befürchten außerdem eine Einschränkung des parlamentarischen Anfragerechtes durch den geplanten § 6 Abs 1 Z 5 lit c IFG. Wie die Geheimhaltung der Vorbereitung (!) einer Anfragebeantwortung diese selbst einschränken sollte, bleibt die Stellungnahme jedoch schuldig.
Abgesehen davon ist das Interpellationsrecht ohnehin sehr ausbaufähig, wie Anfragen des Forums Informationsfreiheit belegen. So weigerte sich die niederösterreichische Landesregierung dem Landtag die Mietkonditionen von Privatunternehmen in Landesgebäuden bekannt zu geben. Der Nationalrat wurde gar eine Information verweigert, die über die derzeit schon geltende Auskunftspflicht zu bekommen war. Sobald man dem einfachen Bürger aber selbst Auskunft geben muss, fürchtet man in den Parlamenten um das Interpellationsrecht.
„Die Tätigkeit der (Landes)Parlamente als Gesetzgebungsorgane ist schon derzeit völlig transparent; alle Informationen zu jedem Schritt der Verfahren im Landtag und seinen Ausschüssen sowie zu den handelnden Organen, sogar zu einzelnen Abgeordneten, stehen ohne Einschränkungen öffentlich zur Verfügung. Es gibt keine Fälle, in denen Informationen aus diesem Bereich nicht erteilt wurden oder solche Fälle auch nur diskutiert wurden.“ Landtagspräsidentenkonferenz
Ein Parlament folgt keiner Behörde
Die Landtagspräsidenten und die Parlamentsdirektion haben aber zumindest recht, wenn sie eine autonome Umsetzung des IFG im parlamentarischen Bereich einmahnen. Die Parlamentsdirektion fordert zumindest, dass im „Gesetzgebungsbereich systemkonforme, separate Ausführungsregelungen in den Geschäftsordnungen getroffen werden“ sollten. So weit reicht das parlamentarische Selbstverständnis dann doch noch: Nach dem derzeitigen Plan müssten Durchführungsverordnungen zum IFG von der Bundesverwaltung erlassen und der Gesetzgebung befolgt werden. Hier würde also der Herr dem Knecht folgen.
Sollte die Novelle unverändert beschlossen werden, wäre das zwar ein Gewinn für die Informationsfreiheit, aber gleichzeitig ein schlechtes Zeugnis für den heimischen Parlamentarismus. Denn entweder entspricht dann die Meinung der Parlamentsdirektion nicht jener des Parlaments, oder das Parlament kann seine Meinung im Gesetzgebungsverfahren nicht durchsetzen.
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