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Vielen Dank, sehr gut lesbar, erhellend und analytisch; tolle Idee - herzlichen Glückwunsch. Hoffentlich folgen viele weitere solche Beiträge, die wie dieser zugleich amüsant und erschreckend sind (so zumindest die lame duck Version).

Vielleicht kann in diesem Diskurs auch die Konstruktion der Unabhängigkeit der Europäischen Staatsanwaltschaft als Orientierung dienen? Sie ist zumindest ein moderner Versuch, Ernennungsverfahren und Rechenschaftsplicht mit dem Unabhängigkeitsgebot in Einklang zu bringen. Darauf haben sich alle teilnehmenden Staaten auf europäischer Ebene geeinigt, und das sollte auch das Maß einer innerstaatlichen Unabhängigkeitskonstruktion sein.

Artikel 6 der VO (EU) 2017/1939 (https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32017R1939&from=DE) regelt die Unabhängigkeit (bei der Erfüllung der Pflichten Weisungen weder einholen noch entgegennehmen) und die Rechenschaftspflicht (gegenüber dem EP, dem Rat und der Kommission "für allgemeinen Tätigkeiten").

Artikel 7 regelt die Berichterstattung (Jahresbericht über ihre allgemeine Tätigkeit; einmal jährlich Aussprache mit dem EP, dem Rat und auf Verlangen auch mit nationalen Parlamenten) über die allgemeine Tätigkeit. Weder Parlamente (europäisches wie nationale) noch Rat noch Kommission können somit in Einzelfälle "hineinregieren". Die Korrektur staatsanwaltschaftlicher Entscheidungen kann also nur durch unabhängige Gerichte erfolgen.

Die Ernennung und Entlassung des Europäischen Generalstaatsanwalts ist in Artikel 14 in einem reichlich komplexen Verfahren geregelt. Im Wesentlichen wird dieser vom Europäischen Gesetzgeber (also EP und Rat) im gegenseitigen Einvernehmen ernannt, für eine nicht verlängerbare Amtszeit von sieben Jahren. Seine Legitimität leitet sich aus der Beteiligung der Organe der Union an dem Verfahren für die Ernennung her. Ein komplex zusammengesetzter Auswahlausschuss (Repräsentanten oberster justizieller Stellen) erstellt eine Auswahlliste der Bewerber (diese müssen unter anderem eine Gewähr für Unabhängigkeit abgeben sowie die Voraussetzungen für die höchsten staatsanwaltlichen oder richterlichen Ämter erfüllen, über einschlägige praktische Erfahrungen verfügen sowie hinreichende Erfahrungen und Qualifikationen als Führungskraft besitzen). Entlassen werden kann der Europäische Generalstaatsanwalt nur durch Gerichtsentscheidung des EuGH (auf Antrag von EP, Rat oder Kommission), wenn dieser zu der Feststellung gelangt, dass er seine Aufgaben nicht mehr wahrnehmen kann oder dass er sich eines schweren Fehlverhaltens schuldig gemacht hat.

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